Über den Wert

„Der Wert einer Ware oder die Quantität einer anderen Ware, gegen die sie getauscht wird, hängt ab von der verhältnismäßigen Menge an Arbeit, die zu ihrer Produktion notwendig ist, nicht aber von dem höheren oder geringeren Entgelt, das für diese Arbeit gezahlt wird.“ S.9

Analyse 1: Wir vereinfachen die Aussage erst einmal: „Der Wert einer Ware hängt von der verhältnismäßigen Menge an Arbeit ab, die zu ihrer Produktion notwendig ist.“ Wenn wir jetzt noch das Wort ´Arbeit´ durch ´Arbeitszeit´ ersetzen, dann entspricht diese Aussage der Produktwertdefinition. Eine ´Menge an Arbeit´ oder eine ´Arbeitsmenge´ ist zwar auch eine Größe, zumindest im physikalischen Sinne, aber eine andere Größe als die Arbeitszeit!

Analyse 2: Wir wählen eine andere Reihenfolge der verwendeten Worte: „Der Wert einer Ware hängt von der Quantität einer anderen Ware ab, gegen die sie getauscht wird.“ Hier werden also zwei Waren gegeneinander getauscht: W1 ⇔ W2. Der Wert der einen Ware W1 soll also von der Quantität der anderen Ware abhängen. Als nächsten Zwischenschritt müssen wir noch klären, was man unter ´Quantität einer Ware´ verstehen könnte. Das Wort ´Quantität´ bedeutet sowohl ´Anzahl´ als auch ´Menge´. Verwenden wir das Wort ´Quantität´ im Sinne von Anzahl, dann meint man damit z.B. 2 Autos, 3 Flaschen Bier, etc. pp., also eine Anzahl von realen Mengeneinheiten. Mit ´Quantität einer Ware´ handelt sich also unzweifelthaft um eine reale Warenmenge. Da es sich auch bei W1 um eine reale Menge handelt, können wir statt Ware W1 auch Warenmenge W1 sagen. Der Wert der einen Warenmenge W1 soll also von der Warenmenge W2 abhängen. Diese Aussage scheint eher auf den Tauschwert einer Ware abzuzielen, da der Tauschwert von W1 dem Produktwert der Warenmenge W2 entspricht und der Tauschwert der Warenmenge W2 dem Produktwert der Warenmenge W1. In Formeln ausgedrückt: τ1 := p2 und τ2 := p1 (siehe auch Tauschwertdefinition in der konsIkon).

Analyse 3: Analysieren wir des weiteren die letzten beiden Teilsätze der obigen Aussage: „…, nicht aber von dem höheren oder geringeren Entgelt, das für diese Arbeit gezahlt wird.“ Diese Schlußfolgerung scheint der Aussage, daß „der Wert einer Ware von der Quantität der dagegen getauschten Ware abhängt“ (siehe Analyse 2) zu widersprechen, denn auch ein Entgelt ist nur eine reale Menge. Wo liegt der Fehler? Ricardo unterscheidet nicht zwischen Produktwert und Tauschwert. Der Produktwert einer Ware ist von der zu seiner Herstellung erforderlichen Arbeitszeit abhängig, aber nicht vom Produktwert des Entgelts! Die Arbeitszeit zur Herstellung von 1 Brot hat nichts mit der Arbeitszeit zur Herstellung von einer Münze aus Metall zu tun! Vom Produktwert des Entgelts ist aber der Tauschwert der Ware abhängig: τ1 := pEntgelt!

„Adam Smith stellt fest, daß „das Wort Wert zwei verschiedene Bedeutungen hat, manchmal die Nützlichkeit eines bestimmten Gegenstandes ausdrückt und manchmal die Fähigkeit, andere Waren zu kaufen. Die eine kann man Gebrauchswert, die andere Tauschwert nennen.“ Q: GPÖ, S.9

Die Nützlichkeit eines Gegenstandes ist dessen Fähigkeit, irgendein menschliches Bedürfnis befriedigen zu können. Die Nützlichkeit können wir auch in Form der Größe Gebrauchswert ausdrücken (siehe gleichnamigen Artikel in der konsIkon). Zu den menschlichen Bedürfnissen gehört auch, eine Ware gegen eine andere Ware tauschen zu können. Als ´Kaufen´ bezeichnen wir den Tausch Geld gegen Ware; Kaufen ist damit nur eine Sonderform des Tauschens. Da auch Geld nur eine reale Menge sein kann und jedes Produkt, was gegen ein anderes Produkt getauscht wird, als Ware bezeichnet wird, ist auch Geld nur eine Ware, weshalb folgende Ausführung auch für das Geld gilt: Die Fähigkeit einer Ware, gegen eine andere Ware ein- und austauschbar zu sein, befriedigt also ein menschliches Bedürfnis und gehört damit zu der Größe Gebrauchswert. Die Fähigkeit, etwas ´Kaufen´ zu können, ist also ein Gebrauchswert und hat nichts mit der Größe Tauschwert zu tun! Ricardo vermischt also die Bedeutung zweier Größen! Ein und diesselbe Ware kann durchaus verschiedene oder mehrere Bedürfnisse erfüllen, so daß die Größe Gebrauchswert wiederum tensorielle, bzw. multidimensionale Eigenschaften hat (siehe Artikel in der konsIkon).

„Die Gegenstände, die den größten Gebrauchswert haben, besitzen häufig geringen oder gar keinen Tauschwert, während andererseits diejenigen, die den größten Tauschwert haben, einen geringen oder keinen Gebrauchswert besitzen.“ (AS, zit in GPÖ, S.9) Wasser und Luft sind außerordentlich nützlich; sie sind für unsere Existenz sogar unentbehrlich, und doch erhält man unter normalen Umständen nichts im Austausch für sie. Hingegen kann man für Gold, obwohl es im Vergleich zu Luft oder Wasser nur einen geringen Nutzen besitzt, eine große Menge anderer Waren eintauschen.“ Q: GPÖ, S.9

Der Wertebereich der Größe Gebrauchswert liegt definitionsgemäß zwischen 0 und 1: entweder der Gegenstand kann ein menschliches Bedürfnis befriedigen und sein Gebrauchswert beträgt 1, oder er kann kein Bedürfnis befriedigen, dann beträgt der Wert des Gebrauchswertes 0. Größer als 1 und kleiner als 0 geht also nicht. Ricardo meint, daß ein Gegenstand (wie z.B. die Luft zum Atmen oder das Wasser zum Trinken) für sehr viele (wenn nicht gar für alle) Menschen einen Gebrauchswert hat. Er meint damit aber die Anzahl der Gebrauchswerte, nicht deren Größe. Der Sauerstoff in der Atmosphäre, was man i.a. auch die Luft zum Atmen nennt, ist aber ein Produkt der Natur und jeder Mensch kann sie nutzen solange er sich oberhalb der Erd- oder Wasseroberfläche aufhält, so daß sie von niemanden gegen etwas getauscht werden muß, bevor man sie benutzen kann. Aus diesem Grund hat sie auch keinen Tauschwert, weil es ohne Tausch keinen Gegenstand gibt, der einen Produktwert hat, welcher wiederum dem Tauschwert der Luft zugewiesen wird. (siehe Tauschwertdefinition in der konsIkon). In Gold hingegen, zumindest wenn es als Ring, Münze oder Barren vorliegt, steckt sehr viel menschliche Arbeitszeit (siehe den Artikel über den Produktwert von Gold). Aus diesem Grund tauscht jeder Warenproduzent gern seine Ware gegen eine bestimmte Goldmenge, weil er dann einen annähernd äquivalenten Produktwert für den Produktwert seiner Ware bekommt und das Gold kann er wiederum gegen jede andere Waren tauschen, weil es jedem anderen Warenproduzent genauso geht, wie ihm selber. Das Gold befriedigt also ein Bedürfnis sehr vieler Menschen, so daß es einen Gebrauchswert hat, der wiederum nur den Wert 1 haben kann.

„Nicht die Nützlichkeit ist das Maß des Tauschwertes, obwohl sie ein notwendiges Element desselben ist.“ Q: GPO, S.9

Der erste Hauptsatz ist vollkommen richtig: die Nützlichkeit kann nicht das Maß des Tauschwertes sein! Der nächste Nebensatz schon wieder vollkommen falsch. Die Nützlichkeit kann gar kein notwendiges Element des Tauschwertes sein! Die Nützlichkeit ist eine Eigenschaft eines Gegenstandes, welche über die Größe Gebrauchswert beschrieben wird. Die Größe Gebrauchswert ist wiederum eine einheitenlose, ökonomische Basisgröße, die auf keine andere Eigenschaft zurückgeführt werden braucht. Und weil man nur vergleichbare Eigenschaften miteinander vergleichen kann, müssen wir die Bedingungen für einen Austausch von Waren in den Gebrauchswerten suchen. Aus diesem Grunde wurden die Gebrauchswertbedingungen aufgestellt. Der Tauschwert einer Ware wurde wiederum als Zuweisungsgröße definiert und hat nur etwas mit dem Produktwert der anderen Ware zu tun. (siehe Tauschwertdefinition in der konsIkon). Damit ist der Tauschwert kein Element der Nützlichkeit.

„Wenn eine Ware in keiner Weise nützlich wäre – oder anders ausgedrückt, wenn sie durch nichts zu unserem Wohlstand beitrüge – so würde ihr jedweder Tauschwert mangeln, gleichgültig, wie selten sie sei oder wieviel Arbeit notwendig wäre, um sie zu beschaffen.“ Q: GPÖ, S.9ff

Ricardo redet von einem Produkt, was einen Gebrauchswert von 0 hat, und deswegen von niemanden eingetauscht wird. Ein Produkt, was nicht getauscht werden kann, bleibt ein Produkt und wird demzufolge nie zu einer Ware. Hier liegt also der Verständnisirrtum. Ricardo meint ein Produkt, verwendet aber das Wort ´Ware´. Das Wort ´Ware´ impliziert zwingend einen Austausch (siehe Warendefinition in der konsIkon). Jede Ware, die gegen ein anderes Produkt getauscht wird (was damit automatisch auch zu einer Ware wird), wird zur Ware und bekommt damit einen Tauschwert zugewiesen, nämlich den Produktwert des eingetauschten Produktes: τ1 := p2 und τ2 := p1. Wird ein Produkt, bzw kann ein Produkt P1 nicht gegen ein anderes Produkt P2 getauscht werden, dann kann ihm zwangsläufig auch nicht der Produktwert p2 zugewiesen werden: es hat dann tatsächlich keinen Tauschwert – völlig unabhängig davon, wieviel Arbeitszeit in dem Produkt P1 steckt.

„Die Dinge, sobald man sie einmal als an sich nützlich anerkannt hat, beziehen ihren Tauschwert aus zwei Quellen: Aus ihrer Seltenheit und der zu ihrer Gewinnung nötigen Arbeitsmenge.“ Q: GPÖ, S.10

Völlig falsch. Im ersten Haupt- und Nebensatz redet Ricardo vom Gebrauchswert, verwendet im nächsten Nebensatz aber den Begriff ´Tauschswert´. Gebrauchswert und Tauschwert sind aber zwei völlig verschiedene und voneinander unabhängige Größen. Der Tauschwert erscheint wiederum nur im Austausch, und er wird den Dingen über den Produktwert des getauschten Produktes zugewiesen: τa := pe (a für ausgetauschtes Ding, e für eingetauschtes Ding). Die Seltenheit ist zwar auch eine Eigenschaft, kann aber nicht durch die Größe Tauschwert beschrieben werden. Mit ´Arbeitsmenge´ scheint Ricardo ´viel Arbeit´ zu meinen, in dessen Bedeutung wiederum implizit die Arbeitszeit steckt. Arbeitsmenge und Arbeitszeit sind allerdings zwei verschiedene Größen, auch im physikalischen Sinn. Die physikalische Menge Arbeit ist das mathematische Multiplikationsprodukt aus Kraft mal Weg (W = F * s) oder Leistung mal Zeit (W = P * t).

„Es gibt einige Dinge, deren Wert nur von ihrer Seltenheit abhängt. Keine Arbeit kann ihre Zahl vermehren, und daher kann ihr Wert nicht durch ein vermehrtes Angebot herabgesetzt werden. Einige auserlesene Statuen und Bilder, seltene Bücher und Münzen, Wein von spezieller Qualität, der nur aus Trauben gekeltert werden kann, die auf besonderen Boden beschränkter Ausdehnung gedeihen, gehören zu dieser Kategorie. Ihr Wert ist völlig unabhängig von der zu ihrer Produktion erforderlichen Menge Arbeit, und er verändert sich mit dem Wechsel des Wohlstandes und der Neigung derer, die sie zu besitzen wünschen.“ Q: GPÖ, S.10

Die Seltenheit ist eine Eigenschaft, welche eventuell durch die Größe Seltenheitswert beschrieben werden kann. Die Größe ´Seltenheitswert´ hat aber nichts mit den Größen Gebrauchswert, Produktwert oder Tauschwert zu tun, genauso wenig, wie der Heizwert etwas mit dem PSA-Wert zu tun hat. Man muß also genau aufpassen, in welcher Bedeutung der Begriff ´Wert´ verwendet wird. Ich versuche einmal Ricardo zu dechiffrieren: 1. Statuen, Bilder, Bücher, Münzen, Wein sind von Menschen hergestellte Produkte, in denen demzufolge menschliche Arbeitszeit steckt und die demzufolge einen Produktwert haben. Werden diese Dinge oder Gegenstände gegen ein anderes Produkt getauscht, wird ihnen automatisch der Produktwert der dafür eingetauschten Ware zugewiesen: τa := pe. 2. ´Ihr Wert ist unabhängig von der erforderlichen Menge Arbeit …´ ist falsch, wenn er den Produktwert meint, ist richtig, wenn er den Gebrauchswert meint; ´… und verändert sich mit dem Wechsel des Wohlstandes …´ meint möglicherweise den Gebrauchswert.